Tag 25 – 29: Porto – Aveiro – Madrid – Barcelona – Girona
Es ist 9 Uhr morgens. Ich schrecke auf und schaue auf die Uhr, denn eigentlich wollte ich schon viel frueher los. Nachdem ich die letzte Nacht mit ein paar Deutschen, die die Deutsche Schule in Porto besucht haben und die ich mehr oder weniger zufaellig ein paar Tage zuvor in einer Bar getroffen habe und die mich spontan eingeladen haben, verbracht habe, wollte ich ja eigentlich garnicht schlafen, sondern direkt frueh an der Strasse stehen (ganz nach dem Motto “Der fruehe Vogel faengt den Wurm bzw. die Mitfahrgelegenheit” ). Aber nachdem ich die Party erst frueh um 5 verlasse, eine Stunde heimlaufen muss und mitten beim Packen auf der Couch einschlafe, bin ich letztendlich erst gegen 11 auf Tour. Und so kommt es, wie es kommen muss, wohl eine kleine Bestrafung fuer meine Nachlaessigkeit: Ich warte 6 Stunden in Porto.
Nach einem Standortwechsel 4 Stunden spaeter und endlosem ungeduldigen Hin- und Herlaufen, Freundliches-Gesicht-Machen und Strassenrandanimation (was sicherlich zur Unterhaltung der Vorbeifahrenden, offensichtlich jedoch weniger zu meinen Chancen, mitgenommen zu werden, beigetragen hat), nimmt mich endlich jemand mit. Es sollte nicht anders kommen, und so schaff ich es an dem Tag gerade mal ins 70 Kilometer suedlich gelegene Aveiro. Als ich dort an einem Kreisverkehr noch einmal eine Stunde warte und es langsam dunkel wird, frage ich einen Studenten auf der Strasse, wo man am Besten wild zelten koennte. Nach einem kurzen Gespraech, bei dem ich erfahr, dass er ein spanischer Erasmus-Student ist und selbst noch nicht allzu lang in Portugal wohnt, laedt er mich spontan ein, in seiner WG zu uebernachten. Nach einer langen Partynacht mit seinen spanischen Mitbewohnern ist frueh um 7 auch schon wieder Schluss mit Schlafen.
Nachdem ich dann nochmal 4 Stunden in Aveiro warten muss, aus lauter Verzweiflung schon anfange, Postkarten zu schreiben und mir Notfallplaene zurechtlege, wie ich doch noch rechtzeitig meinen Flug erwische, komme ich an dem Tag doch erstaunlich gut voran und schaffe die groesste Tagesetappe bisher. Als ich nach Sonnenuntergang Madrid erreiche, verspuere ich kaum Lust, mir die Stadt anzuschauen. Stattdessen erspare ich mir das Finden einer U-Bahnverbindung zum Busbahnhof nachts in der Hauptstadt eines Landes, wo sowieso kaum jemand Englisch spricht und in dessen Sprache ich allerhoechstens einen Kaffee mit Milch bestellen kann, und goenne mir den Luxus eines Taxis. 10 Minuten spaeter und 10,75 EUR aermer komme ich dort an, ungewiss ob um die Zeit ueberhaupt noch ein Bus nach Barcelona faehrt, denn dort warten bereits Rachel und Triana auf mich. Letztendlich bekomme ich ein Busticket, welches mich in 8 Stunden nach Barcelona befoerdert.
Frueh begebe ich mich dann direkt zum Couchsurfer von den beiden und fall nach 3 Naechten ohne Schlaf erstmal uebergluecklich ins Bett. Ich hab innerhalb von 24 Stunden ueber 1100km geschafft! Unsere Hosts in Barcelona, 3 an der Zahl, sind hauptberuflich Reiseleiter, haben sich in ihrem Haus eine Art Pension fuer ihre Gaeste und Ausgangspunkt fuer die Reisen, die sie veranstalten, eingerichtet und hosten nebenbei Couchsurfer. Nach eigenen Angaben koennen sie in ihrem riesigen Haus mit Swimmingpool bis zu 30 Personen hosten. Als ich da bin, sind wir immerhin mehr als 10 Leute. Von Barcelona selbst sind wir drei alle ein Bisschen enttaeuscht, wohl auch, weil uns jeder erzaehlt, was fuer eine tolle Stadt das doch ist und wir von Anfang an zu grosse Erwartungen haben. Nichtsdestotrotz hat diese Stadt ihren ganz eigenen Charme und ich beschliesse, ihr spaeter noch einmal eine zweite Chance geben zu wollen.
Am naechsten Morgen reise ich mit Rach und Tri ins noerdlich gelegene Girona, um Rachel zu ihrem Flug zu bringen und den letzten Nachmittag mit Triana in Girona zu verbringen. Dort lerne ich sie endlich einmal richtig kennen und stelle fest, dass mein erster Eindruck von ihr voellig falsch war. Nicht alle Amerikaner sind Kaugummi kauende Cowboys und so beschliesse ich, die USA von meiner No-Go Liste zu streichen und irgendwann auch dort mal einen Abstecher zu machen.
Nachdem ich mich von ihr verabschiedet habe, nicht ohne noch ein paar gute Ratschlaege fuer mein Leben bekommen zu haben, treffe ich am spaeten Nachmittag am Schalter fuer die Bustickets zum Flughafen einen anderen Backpacker (fuer alle, denen der Begriff nichts sgat: so nennt man die “Rucksacktouristen” wie mich; Backpack = Kraxe/Trackingrucksack). Wir kommen sofort ins Gespraech, stellen fest, dass unsere beiden Fluege erst am naechsten Tag sind und verbringen noch den restlichen Tag zusammen. Am Flughafen angekommen suchen wir uns 500 Meter davon ein kleines Waeldchen, schlagen unser Zelt auf (siehe Bild unten) und haben – trotz unserer bescheidenen Moeglichkeiten – ein gutes Abendessen und ein noch besseres Fruehstueck.
Als ich am naechsten Tag in das Flugzeug steige, kommt schon ein bisschen Melancholie auf. Auf der anderen Seite der Strecke wartet schon mein Vater auf mich und so ueberwiegt letztendlich die Freude, meine Familie wiederzusehen, die Trauer ueber das Ende der Reise.
Heute ist es genau einen Monat her, dass ich in Treuen an der Autobahnauffahrt stehe und die Reise beginne, die mich so viel weiter bringen sollte, als ich es mir jemals ertraeumt hatte. Sie hat mich definitiv geoeffnet, gebildet, zum Nachdenken angeregt und Lust auf mehr geweckt. Und obwohl ich jetzt vor meinem Kuechenfenster zuhause sitze und mein Abenteuer scheinbar vorbei ist, so hab ich doch, je laenger ich darueber nachdenke, immer mehr das Gefuehl, dass es nur ein Anstoss fuer die Zukunft war. Da kommt mir spontan wieder der Ausspruch des Muenchners in den Kopf:
Habe Vertrauen in die Zukunft!
Hier meine gesamte Route, 4500km (klick)!
Und damit schliesst sich mein Reisebericht der vergangenen 4 Wochen. Ich bin euch unglaublich dankbar, dass ihr euch die Muehe gegeben habt, mir auf meiner Reise zu folgen, euch in Form von Kommentaren oder auch nur dem blossen Lesen daran beteiligt zu haben, und hoffe, es geschafft zu haben, euch das ein oder andere Mal zum Nachdenken angeregt zu haben und vielleicht auch ein wenig fuer eigene Projekte inspiriert zu haben.
Danke! Burgi